Es sind die verrücktesten Dinge, die mich hier in Japan in ihren Bann ziehen. Zum Beispiel die Toiletten. Japanische Toiletten sind eine faszinierende Sache.
Es fängt an bei den beheizten Sitzen. Nein das stimmt nicht. Es beginnt bei der Sauberkeit. In Japan ist alles sauber und hygienisch. Auch öffentliche Toiletten. Das heißt, man kann sich getrost hinsetzen. Und darum spürt man, ob ein Klositz warm ist oder nicht. Aus Europa weiß ich: wenn ein Klositz warm ist, heißt das, dass jemand vor mir da richtig lange drauf saß. Mein erster Instinkt bei Berührung mit einem warmen Sitz ist Zusammenzucken. Doch an dieses Phänomen daran gewöhnt man sich relativ bald (und zwar im kalten Winter um einiges schneller als im schwülheißen Sommer).
Kaum hat man sich dann mit der Wärme abgefunden, kommt unmittelbar danach der zweite Schreck: die Hintergrundgeräusche beginnen.
Toilettenspülung, Stimmengewirr, Vogelzwitschern (wer hat bitte die Vögel ins Bad geholt??). Diese Akustik kann man häufig auch am Toilettengriff einstellen, Lautstärke inklusive. Unfehlbar der Knopf mit der Note drauf.
Irgendwann früher oder später kommt man dann an den Punkt, an dem man fertig ist mit dem Geschäft. Und nun wartet die wahre Herausforderung: Spülen.
Bereits erwähnter Toilettengriff hat viele Knöpfe. Auf mindestens zwei ist Wasser drauf gemalt. Wasser heißt nicht Spülen. Wasser auf Knöpfen heißt Wasserstrahl in Richtung Po, Stärke variierbar. Wenn man damit nicht rechnet, ist es noch viel, viel komischer als ein warmer Sitz zusammen mit japanischen Frauenstimmen, die einem lauthals ins Ohr schreien, von Vogelgezwitscher unterlegt (während man versucht zu Pinkeln wohlgemerkt).
Es gibt Fehler, die macht man nur einmal.
Man hat dann also einen nassen Hintern, aber das löst immer noch nicht das Spülproblem.
Es gibt rein theoretisch ein japanisches Schriftzeichen für „Spülung“.
Ich weiß auch rein theoretisch wie das aussieht, es steht nämlich in vielen Büchern. Aber an keiner einzigen Toilette. Ich weiß nicht, über wie viele Kloschüsseln ich mich schon gebeugt habe, um irgendwo an einer Seite eine Spülung zu finden und vor wie vielen Wänden und über wie vielen Spülkästen ich in Hoffnung auf einen Sensor herumgewedelt habe, nur um festzustellen, dass diese Schraube über dem Abflussrohr gar keine Schraube, sondern der Spülknopf ist. Das einzig Gute ist, das mich dabei nie jemand sieht.
Dazu als Abschlussanekdote ein etwas unzusammenhängendes Thema. In Japan hat nämlich nicht nur jedes Klo seine eigene tricky Spülung – jede Tür öffnet sich irgendwie anders, mal schwingend, mal schiebend, mal automatisch, mal durch Sensor, mal durch Knopfdruck.
Ich wollte mir neulich eine Telefonkarte kaufen und ging zum Telefonladen. Die Front des Telefonladens war verglast. Ich stand draußen im Schnee, drinnen hämmerte ein Japaner gelangweilt auf die Tasten eines Computers. Ich bewegte mich in Richtung Telefonmensch – und wäre beinahe in die Tür gelaufen. Ich wechselte meinen Winkel, nahm Anlauf. Die Tür blieb verschlossen. Aus den Augenwinkeln suchte ich nach Türgriffen oder Knöpfen – nichts. Ich begann also einen Tanz in der Hoffnung, die Tür würde mitmachen. Ich stampfte und klatschte und fuchtelte mit meinen Händen herum. Der Telefonmensch blickte auf und sah mich mit einer Mischung aus Mitleid und Langeweile an. Ich machte einen letzten verzweifelten Versuch und tastete die Glasscheibe vor mir nach Unebenheiten ab. Die Wand öffnete sich geräuschlos.
Wer kann denn bitte ahnen, dass Türen in diesem Land mit Touchpad ausgestattet sind?
Januar 2014