Ja, ich gebe es zu. Ich sitze in einer Starbucks Filiale während ich diesen Text schreibe. Mir gegenüber sitzen vier junge Studierende, die die Sweatshirts meiner Uni tragen und über Rechnungen grübeln. Wir teilen uns einen großen Tisch in dessen Mitte genug Steckdosen für alle sind.
Ja, ich habe auch einen Thermosbecher von Starbucks (aber das war ein Geschenk) und ich nehme ihn überall mithin, denn es gibt in ganz Taiwan Trinkwasserspender, an denen man Wasser in 3 Temperaturen abfüllen kann.
Ja, ich habe auch eine Starbucks-Tasse, so eine ganze große in die richtig viel reinpasst (das war aber auch ein Geschenk).
Starbucks ist in Taiwan ein Phänomen. Einfach so im Allgemeinen und vor allem auch Marketing-technisch. Wer auch immer dafür verantwortlich war, hat einen fantastischen Job gemacht (was sich unter anderem daran zeigt, dass ich bisher 2 Thermosbecher und 1 Tasse von Starbucks geschenkt bekommen habe).
In Taiwan gibt es 300 Starbucks Cafés, davon allein um die 100 in Taipeh. Jedes Jahr eröffnen neue Filialen, immer mehr auch in kleineren Städten. Die Preise sind vergleichsweise teuer, da sie sich von denen bei uns nicht groß unterscheiden – ein kleiner Kaffee mit irgendwelchem Schnickschnack kostet knapp 100 Taiwanesische Dollar, sprich ungefähr 2,60€. Trotzdem floriert das Geschäft (und ich trage durchaus dazu bei).
Starbucks ist gleichzeitig Wohnzimmer, Arbeitszimmer und Lounge. Es gibt Wifi und Steckdosen und die Atmosphäre ist ruhig und entspannt. Familien kommen selten vorbei, und wenn doch sind die Kinder mit Hausaufgaben beschäftigt. Ich habe den Großteil meiner taiwanesischen Bekannten bei Starbucks kennen gelernt, denn wenn man sich einen Tisch teilt, kommt man schnell ins Gespräch oder wenn man sein Buch auf dem Tisch liegen hat, wird man darauf angesprochen.
Ich habe schon vorher darüber geschrieben, dass viele Taiwanesen nach allem Westlichen streben. Bei Starbucks kauft man nicht nur Kaffee, Tee und Gebäck ganz wie in Amerika, sondern man kauft auch das Lebensgefühl dazu. Zu Halloween gibt es Kürbisse und nach Halloween Weihnachtsbäume, alles ganz authentisch. Das Menü unterscheidet sich nur minimal von dem, das ich aus Europa kenne (im Gegensatz zum Beispiel zu Japan, wo die Speisekarte komplett angepasst ist).
Allerdings unterscheidet sich die Atmosphäre. In Taiwan trifft man sich nicht in der eigenen Wohnung, also muss man Orte außerhalb finden und dabei wird Starbucks zum Treffpunkt. Irgendein Café ist immer in der Nähe, ein paar Sessel sind immer frei. Starbucks bietet kostenloses Wifi, abgeschirmte Bereiche mit Steckdosen und unbegrenzte Versorgung mit Leitungswasser.
Für mich war der Starbucks um die Ecke im Frühjahr, als ich in meiner Wohnung kein WLAN hatte, mein Arbeitszimmer. Im Starbucks habe ich junge Studierende getroffen, mit denen ich chinesisch lernen und quatschen konnte. Ich habe Lehrerinnen kennen gelernt, die mich mit ihren Schüler*innen in Kontakt gebracht haben, damit ich über Deutschland und Europa erzählen kann und ich habe mich mal hier mal da über dies und das unterhalten. Im Starbucks kann man, umgeben von Menschen, aber im Zweifelsfall doch für sich, einen ganzen Tag verbringen.
Jetzt sitze ich viel hier, meistens an einem der hohen Tische am Fenster und blicke entweder auf den Verkehr zwischen mir und dem Daan Park oder auf die Autowaschanlage, in der Menschen mit Einschränkungen voller Begeisterung Autos nass spritzen und einschäumen. Heute brauche ich eine Steckdose, deswegen bin ich an den Arbeitstisch umgezogen. Wenn ich von chinesisch umgeben bin, fällt mir das Vokabellernen leichter und mir geht die Schreiberei leichter von der Hand. Die Menschen reden leise mit gesenkten Stimmen, lachen oder arbeiten still vor sich hin. Einige starren, wie ich manchmal, einfach gedankenverloren aus dem Fenster oder lesen Zeitschriften und Bücher, die in den Regalen an den Wänden liegen und stehen. Im Hintergrund läuft manchmal Klassik, manchmal Jazz, manchmal Klassiker aus dem letzten Jahrhundert. Es ist eine Atmosphäre, in der ich mich wunderbar konzentrieren kann.
Starbucks in Taiwan übersetzt den bewunderten und angestrebten American Lifestyle ins Taiwanesische und das geschieht auf so wunderbare Art und Weise, dass ich nicht anders kann, als zu denken, dass ein bisschen Taiwanese Lifestyle dem Rest der Welt wirklich gut täte.