Nachdem der erste Teil unserer Reise sich damit beschäftigte, zu den Anfängen Mazedoniens zu ziehen, folgt nun der eigentlich Abenteuerteil auf Wegen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer erreichbar sind. Zeit für Natur pur. Los geht es für uns und unseren gemieteten Chevrolet Spark, in die Berge der Sonne entgegen.
Für heute stehen gleich zwei Nationalparks auf dem Programm: zunächst durchqueren wir auf der einzigen asphaltierten Straße, die es hier gibt, den Galicica Nationalpark. Der Park ist ein Teil des Galicica Bergmassivs, das sich auf einer Fläche von fast 230 km² in der Mazedonisch-Albanischen Grenzregion erstreckt. Wir umrunden danach den Prespasee und fahren schließlich für eine kleine Wanderung in den Pelister Nationalpark.
Galicica Nationalpark
Die Einfahrt in die Berge (ausgewiesen ist das Dorf Oteshevo) ist nicht zu verfehlen und los geht der Anstieg auf guten, aber schmalen Straßen, die von ramponierten und verrosteten Leitplanken gesäumt sind. Auf dem Weg liegen gefährlich viele Felsbrocken und wir hoffen, dass sich nicht einer von ihnen löst, während wir unser Mietauto um die Kurven lenken. Wir hoffen außerdem, dass uns niemand entgegen kommt – noch dazu ein ortskundiger Raser. Unsere stillen Gebete werden erhört – auf den knapp zwei Stunden, die wir uns mitsamt Pausen im Galicica Nationalpark aufhalten, begegnet uns keine Menschenseele. Nach der ersten halben Stunde parken wir am Straßenrand und setzen uns auf die Steine am Felsvorsprung.
Von oben haben wir freie Sicht auf den Ohridsee, der inzwischen in der Vormittagssonne strahlt, und auf einige Dörfer, die rund um den See gebaut sind. Auch auf der Straße am See fährt kaum ein Auto und wir frühstücken schweigend, um die Ruhe nicht zu stören. Wieder strahlt die Sonne am blauen Himmel, die Temperaturen sind angenehm und weil ich selbst nach Sonnencreme dufte, habe ich das Gefühl, es sei schon Hochsommer.
Je näher wir zu dem Gipfel des Gebirges kommen (der Magaro mit 2.254m), desto häufiger legen wir kleine Pausen ein, um den Ausblick zu genießen. Die Farben sind im Original so wunderbar und leuchtend, dass ich meine Sonnenbrille immer wieder absetze: ich will die natürliche Pracht durch keinen Filter sehen. Bei 1600 m erreichen wir den Pass, der über die Berge führt. Abwärts sind die Straßen nicht mehr ganz so gut und die Vegetation verändert sich merklich, wir fahren, bzw. rollen, plötzlich durch einen noch kahlen Wald. Zwischen den Stämmen blitzt bald der nächste See auf. Wenn man sich dazu entschließt, sein Auto beim Pass zu parken und auf den Magaro-Gipfel zu wandern, dann hat man die Möglichkeit, auf beide Seen zu blicken, was sicherlich atemberaubend schön ist.
Rund um den Prespasee
In den Ortschaften rund um den Prespasee scheint die Landwirtschaft sich auf Obstanbau zu konzentrieren. Links und rechts von der Straße stehen Obstplantagen, einige von ihnen in voller Blüte. Auch sonst ist die Landschaft gesprenkelt mit blühenden Bäumen. Da die grünen, frischen Blätter der Laubbäume sich noch sehr zaghaft oder gar nicht zeigen, verleihen die Blüten der Landschaft einen frühlingtlichen Charme zwischen dem dominanten Braun. Wir folgen der Straße nach Bitola. Genau wie gestern ist die Verkehrsführung recht eingängig, im Zweifel geht es immer geradeaus oder eine große Vorfahrtsstraße weist den Weg, alle Ziele sind gut ausgeschildert. Im Gegensatz zu der Gegend am Ohridsee scheint dieser See hier touristisch nicht sehr erschlossen zu sein, immerhin gibt es auch keine größere Stadt an seinen Ufern. Nur einmal sehe ich, dass Zimmer angeboten werden. Das Ufer ist dichter von Schilf bewachsen und der Weg zum Wasser führt über Gras oder durch Plantagen, weiter weg leuchten aber auch helle Strände.
Pelister Nationalpark
Nach drei Stunden sind wir an unserem heutigen Ziel angelant: für weniger als einen Euro Eintritt können wir auf asphaltierten Straßen in den Nationalpark hineinfahren, der nach einigen Kurven durch kleine Dörfer in den Bergen beginnt.
Pelister, gelegen im Baba Gebirge, das südlichste Gebirge mit alpinem Charakter, ist der älteste und der zweitgrößte Nationalpark in Mazedonien (der größte ist Mavrovo im Westen Mazedoniens). Der Nationalpark ist Heimat für zahlreiche Tiere und Pflanzen, u.a. die 5-nadelige Molika-Kiefer. Dadurch, dass diese Kiefer im ganzen Park wächst, haben wir auch trotz unseres Märzbesuchs (bei dem wir teilweise noch über alte Schnee- bzw. Eisfelder laufen) Ausblick auf grünen Wald. Diese Kiefer, die sonst nur noch an wenigen anderen Orten auf dem Balkan zu finden ist, war der Hauptgrund, dass Pelister zu einem Nationalpark erklärt wurde.
Da wir sehr früh im Jahr zu Besuch sind und außerdem nur knapp 4 Stunden wandern, begegnet uns nicht allzu viel an außergewöhnlicher Flora oder Fauna, aber die Wege sind gesäumt von Frühblühern wie dem Pelister-Krokus und Schmetterlinge flattern munter durch die Gegend.
Besonders auffällig sind die „Stone Rivers“ . Über teils mehrere Kilometer haben sich über die Jahre Gesteinsbrocken angesammelt, die aussehen wie ein breiter, kantiger Strom. Diese Steinflüsse haben sich in den höher gelegenen Gebieten der Berge durch winterlichen Frost, Schneelawinen und Schneestürme gebildet.
Durch das Gebirge fließen aber nicht nur steinerne Flüsse. Neben Vogelzwitschern sind wir auf unserer Route permanent begleitet von Wasserrauschen. An mehreren Stellen plätschern Quellen. Zunächst zögerlich trinke ich einen ersten Schluck von dem kühlen Quellwasser – es ist ein wahrer Jungbrunnen. Ein Schluck und ich springe wie ein junges Reh durch den Wald, mein Freund kommt mir kaum hinterher. Später füllen wir unsere Trinkflaschen mit dem Wasser auf, um mehr von dem köstlichen Geschmack zu haben.
Abstieg aus dem Wald
Wir sind beide nicht wandererfahren, aber der Anstieg durch den Wald fällt uns nicht sehr schwer. Noch dazu sind die Wege einwandfrei gekennzeichnet. In 90 Minuten überwinden wir knapp 300m Höhenunterschied. Es hört sich nicht viel an, aber für uns Norddeutsche ist es ein ziemliches Stück und wir merken es, als wir den Abstieg beginnen. Von der (abgebrannten) Hütte am Sessel- bzw. Skilift „Kopanki“ (auf 1610m Höhe) geht es steil abwärts zurück zum Informationszentrum (auf 1350m Höhe). Wir sind eindeutig keine Fans von Berg-runter… Das letzte Stück laufen wir auf dem „Historical Trail“, wo auf Stelltafeln Informationen und Bildmaterial zu bzw. aus dem Ersten Weltkrieg dargestellt werden. Während des ersten Weltkrieges war die Region rund um Pelister, wo die Thessaloniki Front verlief, stark in das Kriegsgeschehen einbezogen. Die bewaldeten Berge wurden von Truppen als Rückzugsort genutzt. Zahlreiche Dörfer wurden fast komplett zerstört. Die Stadt Bitola, damals noch Hauptstadt von Mazedonen, stand von 1916 bis 1918 zwei Jahre unter fast täglichem Beschuss.
Ökotourismus in Pelagonija
Die Region rund um die Stadt Bitola und den Nationalpark ist ein landwirtschaftliches Anbaugebiet, vor allem für Tabak und Obst. Gerade am Fuß des Gebirges entdecken inzwischen einige Dörfer den „Öko-Tourismus“ für sich. So sollen für Touristen authentische Erfahrungen mit der mazedonischen Kultur ermöglicht werden und außerdem nachhaltige Tourismus-Konzepte in der Region verankert werden. Wir überlegen uns also, auf den Zug aufzuspringen und folgen den Empfehlungen aus unserem Reiseführer. Nachdem wir bereits gestern vor verschlossenen Türen standen, rufen wir heute bei den entsprechenden Gasthäusern aus. Das ist eine gute Entscheidung, denn außerhalb der Saison befinden sich deren Inhaber in Bitola. Also entscheiden auch wir uns, für die Nacht nach Bitola zu fahren – doch da kriegen wir einen Anruf: Wir haben meinen Kulturbeutel in Ohrid im Robinson Sunset House vergessen. Ein Plan muss her.
Zurück nach Ohrid
Wir beschließen letztendlich für die Nacht zurück nach Lagadin bei Ohrid zu fahren und noch eine Nacht im wunderbaren Robinson Sunset House zu bleiben, immerhin wissen wir dort, dass uns guter Schlaf bevorsteht. Nun müssen wir uns aber sputen, denn wir wollen die unbekannten Straßen nicht nach Dunkelheit fahren. Anstatt wieder über den Pass im Galicica Gebirge zu kriechen, wählen wir dieses Mal die Schnellstraße, die zwischen Bitola und Ohrid nördlich dem Gebirge ausweicht. Auch an dieser Straße wird gerade gebaut, sodass wir für einen Streckenabschnitt über eine Kopfsteinpflasterstraße ruckeln müssen, aber alles in allem sind wir nach 2 Stunden wieder an unserem Ziel, wo mein Kulturbeutel und die reizenden Inhaber des Robinson House uns erwarten.
Natürlich ist die Strecke, die das Gebirge umfährt, nicht so malerisch und atemberaubend wie die Strecke durch das Gebirge, aber dennoch ist die Landschaft sehr schön. Links und recht stehen Berge, die von der Abendsonne beschienen werden, was immer gleich noch ein bisschen romantischer ist.
Wir kochen unser eigenes Abendessen in der Robinson-Küche, ehe wir früh ins Bett gehen. Nach so viel frischer Bergluft und Bewegung und gleichzeitigem Auspowern und Erholen sind wir ziemlich erschlagen.
Für morgen stehen wieder Städte auf dem Programm. Ganz besonders freuen wir uns auf Prilep, die angeblich eine der weniger schönen Städte in Mazedonien ist. Allerdings wartet dort eine gute Freundin auf uns, die uns ihre Heimatstadt persönlich zeigen wird. Außerdem geht es nach Bitola, wo sich viel mazedonische Geschichte abgespielt hat. Wir sind gespannt, ob wir dort mehr authentische, mazedonische Kultur und Architektur erwarten können als in Skopje.
Ein paar Tipps:
Bevor es in die Nationalparks geht, auf jeden Fall tanken. Die letzte Möglichkeit auf der Seite des Ohrid Sees ist am Ortsausgang von Ohrid. Tanken ist entspannt – das erledigt hier noch der Tankwart persönlich.
Im Informationszentrum des Nationalparks Pelister gibt es für 2€ gute Wanderkarten des Parks zu kaufen. Dort gibt es auch persönliche Beratung zu einer geeigneten Wanderroute. Außerdem gibt es eine kleine Ausstellung über Flora und Fauna des Parks.
Es gibt kaum Reiseführer für Mazedonien. Philine von Oppeln ist mit ihrem Reiseführer im Trescher Verlag aber ein sehr guter Guide gelungen. Die 5. aktualisierte Auflage ist noch dazu top-aktuell, erschienen im Januar 2017.