Bevor ich Anfang des Jahres meine Koffer packte, um für ein paar Wochen nach Skopje zu gehen, wurde ich plötzlich von einer riesigen Angst gepackt. Ein völlig irrationaler, panischer Teil in mir war sich hundertprozentig sicher, dass ich nicht in der Lage war, in Skopje zu leben, zu arbeiten ohne nach zwei Tagen vor Erschöpfung und Heimweh zusammenzubrechen. Aber dem nahenden Ende meines Studiums und den einhergehenden Existenzängsten zum Trotz habe ich mir für das Jahr 2019 ein Ziel gesetzt: mich nicht von meiner eigenen Angst lähmen zu lassen. Und so zwang ich mich in den Flieger, auch wenn mir dieser kurze Ausflug nach Skopje (fünf Wochen bleibe ich) als das törichste Unterfangen des neuen Jahres erschien. Vielleicht hätte ich weniger Sorgen gehabt, wenn Skopje eine wunderschöne Stadt wäre, die mit einem reichen kulturellen Angebot aufwartet und vor Kreativität und Innovation strotzt. Skopje fällt in keine dieser Kategorien und strahlte vor der Abreise keinen Reiz für mich aus, auch – oder gerade weil – ich die Stadt bereits gut kenne. Als ich jedoch in Skopje landete und die Bergketten um die Stadt sah, die in einen glühenden Sonnenuntergang getaucht waren, fiel die größte Anspannung von mir ab.
Mein Verhältnis zu Skopje – und zu Mazedonien gleichermaßen – ist ambivalent. Ein Kollege brachte dieses Gefühl sehr gut auf den Punkt, als er sagte: „Macedonia is a marvellous country, but a terrible state.“ Genau so ist es und schade ist, dass die schönen Seiten des Landes häufig von den politischen Ereignissen überschattet werden. Oder dass aufgrund politischer Prioritäten das Potential schöner Ecken und Traditionen nicht wertgeschätzt oder ausgeschöpft wird.
In Mazedonien selbst gibt es viele wunderschöne Orte (hier schreibe ich mehr darüber), doch Skopje an sich ist eine sehr skurrile Stadt, die mein Herz nicht direkt anspricht. Verlottert, kaputt und dreckig sind ganze Straßenzüge, die in der versmogten Luft noch grauer erscheinen.
Eine Ausnahme stellt die Altstadt dar, die Carsija. Doch selbst dieser schöne Fleck der Stadt hat schon bessere Zeiten erlebt – noch vor einigen Jahren war hier der kulturelle Kern der Stadt, ein Treffpunkt für Menschen verschiedener Ethnien, wo auch eine kleine LGBTI Szene beheimatet war. Die Atmosphäre war offen und divers, inzwischen prägt immer mehr religiöser Konservatismus die engen Gassen.
Als ich jetzt nach Skopje zurückkam, war ich erschrocken. Ich hatte die Stadt schöner in Erinnerung, weniger heruntergekommen. Zwei Jahre waren nach meinem letzten Besuch vergangen und ich kam in der Erwartung, dass sich irgendetwas verändert habe. Es hat sich nichts verändert, nur dass der Flughafen nicht mehr „Alexander der Große Flughafen heißt“, sondern einfach „Skopje International“. Im schmelzenden Schnee verweilte dazu niemand vor Cafés auf der Straße, alle eilten hastig durch die kalte Stadt. Ich hielt den Schwermut, der über den bröckelnden Fassaden hing, kaum aus (gut, dass die gute Laune im Büro mit Leichtigkeit dagegen hielt).
Heute ist über Nacht das Wetter umgeschlagen und plötzlich fühlt sich die Luft schon ein bisschen nach Frühling an. Mit einer Freundin war ich in der Altstadt, und siehe da – mit den wärmeren Temperaturen ist das Leben in sie zurückgekehrt. Menschen tummelten sich auf den Straßen, hier und da wurden wir in ein kleines Gespräch verwickelt. Ein bisschen mehr Leichtigkeit lag in der Luft.
Wenn ich durch Skopje laufe, dann komme ich nicht umhin zu denken, wie viel Potential in der Stadt liegt. All die Ecken, die man aufmotzen könnte und die schönen Läden, die die leeren Schaufenster füllen könnten. Aber woher soll das kommen, in einem Land in dem Korruption und Vetternwirtschaft Fortschritt und kreativen Wettbewerb verhindern?
Versteht mich nicht falsch – es gibt verschiedene Dinge, die ich in dieser Stadt genieße und jede Woche kann ich – mit der Hilfe meiner Freunde – neue alternative und weltoffene Orte kennenlernen wie bspw. unlängst bei einer kleinen Drag Show. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich mich nicht in einem Gespräch mit Fremden finde, die mich herzlich in ihrer Stadt willkommen heißen, die – häufig mit Verwunderung – wissen wollen, was mich in diese Ecke Europas bringt und die mir von ihren Plänen, Zielen und Sorgen erzählen. Ich kann wirklich nicht behaupten, unglücklich zu sein, doch die Stadt stimmt mich sehr oft sehr nachdenklich.
Bevor ich neue Freundschaften schloss, fühlte ich mich für einen kurzen Augenblick beinah ein bisschen einsam hier in Skopje, denn viele meiner Freundinnen und Freunde haben das Land verlassen und sind für das Studium oder für die Arbeit nach Westeuropa gegangen. Ich verstehe es, denn das Leben in einer Stadt wie Skopje schlägt auf die Seele, vor allem wenn man wild, frei und außergewöhnlich sein will.
Ich für meinen Teil komme immer wieder gerne nach Skopje zurück und ich habe meine Ecken und Orte, in denen ich mich wohl und willkommen fühle. Für Reisende, die Off the Beaten Track unterwegs sein wollen, ist die Stadt in jedem Fall ein Hidden Gem – aber bevor ich die Stadt für einen City Trip anpreise, muss noch viel passieren. Wie und wann, das steht in den Sternen.
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Zu viel Negativität in einem Post – das geht nicht klar! Ein Grund, warum sich eine Reise nach Mazedonien lohnt, das lest ihr hier!