Die Europäische Union ist ein großartiger Gedanke. Es geht dabei um Frieden und Demokratie, um Gegenseitigkeit und um Gleichberechtigung. In der Realität vermissen viele Menschen, die tatsächliche Anwendung dieser Werte. Immer mehr Kritik wird laut, und diese Kritik ist berechtigt. Ich kritisiere viel und engagiert mit. Dies geschieht immer in dem Wissen, wie viel ich persönlich von der EU profitiere. Das merke ich vor allem dann immer wieder am besten, wenn ich die EU verlasse. Das kommt seltener vor, in letzter Zeit. Es kommt so selten vor, dass ich ganz vergessen habe, wie ich eine Reise hinter die Grenzen der EU vorbereiten sollte.
Anfang des Jahres lebte ich in Nordmazedonien. Ich blieb dort fünf Wochen, also keine dramatisch lange Zeit, ehe ich wieder zurück in der EU war. Ehe Nordmazedonien in die EU kommt, wird es noch etwas länger dauern, auch wenn eine Aufnahme der Beitrittsverhandlungen selten näher erschien, als derzeit. Es ist auch kurz genug, dass ich kein Visum brauche, um mich in diesem interessanten, kleinen Land aufzuhalten – erst wenn ich innerhalb eines halben Jahres länger als drei Monate bleiben wollte, müsste ich mich um eine offizielle Aufenthaltsgenehmigung bemühen. Für die Einreise brauche ich auch keinen Reisepass. Also erscheint die Reise in das, doch recht nahe gelegene Land, wenig abenteuerlich.
Money, Money
Dank des „Einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums“, der 35 europäische Länder umfasst und besser bekannt ist als SEPA, können EU-Bürger*innen in jedem Mitgliedsstaat Geld abheben und kostenlos Überweisungen auf jedes EU-Konto tätigen.
Dementsprechend machte ich mir auch erst zwei Tage vor meiner Abreise Gedanken darüber, wie ich in Skopje an Geld kommen könnte. Ich entsann mich plötzlich einer Reise im vergangenen Jahr, als sich mir jeder einzelne Geldautomat in der Stadt verweigerte. Besorgt rief ich bei meiner deutschen Bank an.
„Kein Problem“, sagte man mir. „Sie können mit unserer Karte Geld in jedem EU-Land abheben.“
„Mazedonien ist kein Mitglied der EU“, gab ich zu bedenken.
„Oh, dann lassen Sie mich eben nachschauen.“ Eine kurze Pause. „Für Mazedonien ist Ihre Karte nicht freigeschaltet. Aber Sie könnten in Griechenland Geld abheben.“
Großartig.
Ich rief also bei meiner polnischen Bank an, doch auch meine polnische Debit Card ist nur für das Territorium der Europäischen Union freigeschaltet. Ich begab mich also zu einem Geldautomaten, um wenigstens für den Anfang Geld dabei zu haben. Von meinem deutschen Konto hob ich polnische Zloty ab. In der Nacht vor meiner Abreise viel mir gleißend ein, dass es schwierig sein würde, polnische Zloty gegen mazedonischer Denar einzutauschen. Also stellte ich meinen Wecker früher, um meine zuvor durch die Abhebung in Zloty umgetauschten Euro in Euro zurückzutauschen.
Meine üblichen Geldgeschäfte wollte ich mit einem Freund regeln: Ich würde Euros überweisen, die er mir in Denar abheben würde. Die Überweisung hätte mich 30€ gekostet – denn Mazedonien ist nicht Teil des SEPA-Raums. Ich nutzte dann stattdessen den Geldtransfer über Western Union.
Kein Anschluss unter dieser Nummer
Wer beruflich oder privat in der EU unterwegs ist, zahlt dank einer EU-Gesetzgebung seit dem 15. Juni 2017 keine Roaming-Gebühren mehr.
Ich landete also in Skopje und schrieb sofort nach Hause, dass ich gut angekommen sei. Meine polnische SIM-Karte fand kein Netz und meine deutsche SIM-Karte informierte mich darüber, dass ich für jede SMS 60 Cent zu zahlen habe, 3€ für jeden Anruf. Ich sehnte mich nach dem europäischen Free Roaming Raum (und sehnte mich auch Wochen später noch, denn ich war zu faul, mir eine mazedonische Prepaidkarte zu besorgen).
Entertain yourself!
Im April 2018 verbot die EU das s.g. „Geoblocking“ . Kund:innen von kostenpflichtigen Streaming-Diensten können jetzt auch in allen EU-Ländern auf die Inhalte zugreifen. In Teilen trifft dies auch für Nicht-kostenpflichtige Dienste zu.
Viel frustrierender war jedoch etwas ganz Anderes. Nach einem anstrengenden Tag kam ich abends nach Hause und wollte einen Film über einen bezahlten Online-Streaming Dienst gucken. Erst vor Kurzem hat die EU durchgesetzt, dass Nutzer*innen EU-weit auf Streamingdienste zugreifen können müssen (das beinhaltet auch Online Mediatheken – Goodbye VPN!). Doch siehe da – alle meinen sonst frei verfügbaren Filme und Serien waren plötzlich nur kostenpflichtig – und noch dazu teuer – zur Verfügung gestellt. Schweren Herzens beschloss ich also, einen Film zu kaufen. „Dieser Film ist in Ihrem Land nicht verfügbar.“ Zur griechischen Grenze sind es mit dem Auto nur zwei Stunden, doch ich fühlte mich plötzlich sehr weit weg von zu Hause, von der EU.
Ich stieg dann um auf Hörbücher, darauf hatte ich freien Zugriff, auch aus Mazedonien.
Die EU erscheint vielen Bürger:innen in der EU oft sehr fremd und fern, doch den Institutionen und Berufseuropäer:innen in Brüssel ist sehr an den gemeinsamen Interessen der Bürger:innen gelegen.