Nach unserer Hochzeit im vergangenen Jahr hatten wir uns direkt wieder in den Alltag gestürzt, also hatten wir noch Flitterwochen gut. Wir beschlossen daher, unseren ersten Jahrestag reisend zu feiern und buchten Tickets nach Irland, wo wir eine Woche on the road im Nordwesten der Insel verbrachten und schließlich noch einige Tage in Dublin anhängten.
Ein bisschen Selbstreflexion zu Beginn: Wir haben uns für sechs Tage (+ einen Abend) ein bisschen zu viel vorgenommen. Das lag vor allem daran, dass wir am ersten Abend eine Route von Google Maps errechnen ließen und dem Irrglauben verfielen, man komme ganz flott durch’s ganze Land. Grundsätzlich besteht auf den meisten Straßen eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 oder 100 km/h. Streckenweise schlichen wir aber über schmale, grob geteerte, scharfkurvige, überwachsene Wege, auf denen gemütlich Schafe spazierten (wir waren überrascht, dass wir nur Zeugen eines Unfalls mit Frontalaufprall wurden, andererseits begegneten wir wirklich nicht viel Verkehr). Es geht also deutlich langsamer voran als maps behauptet. Alles kein Ding, aber wir hätten uns wahrscheinlich die zusätzliche Detour zum Giant’s Causeway in Nordirland gespart.
Unsere Route
Unser Fokus bei dieser Reise lag auf dem Naturerlebnis. Nach langen Monaten im heißen, stickigen Krakau sehnten wir uns nach frischer Luft und weiter Aussicht. Mit Donegal hatten wir die richtige Wahl getroffen. Sechs Tage lang hörten wir vor allem das Pfeifen des Windes und das Rauschen des Meeres, wurden ordentlich durchgepustet und konnten uns an der bombastischen Vielfalt der sich ständig verändernden Landschaft kaum sattsehen. Wir folgten immer den braunen Schildern, die uns den Wild Atlantic Way bedeuteten und durchquerten dabei die fantastischsten Landstriche. Die Natur ist dabei keineswegs unberührt – der größte Teil des Landes ist umzäuntes Weideland – aber wird sich selbst und den zahlreichen, zur Kennzeichnung bunt eingesprühten Schafe überlassen. So entsteht das Gefühl, sich tatsächlich gerade in einem vergessenen Eckchen der Welt zu befinden und es ist leicht, sich keine Gedanken über Zeit und Alltag zu machen und in die Stille einzutauchen. Hier und da ragen mahnend Schilder aus der Erde: Respect the nature. Später, bei den Cliffs of Moher (später mehr), die 1 Million Gäste im Jahr empfangen, hat irgendjemand die Dinge in einen Zaun gehängt, die tagtäglich in der Natur liegen bleiben: Plastiktüten, Haargummis, Schnürsenkel, Kaugummis und so weiter. Die Natur gilt es zu schützen!
Achtung! Wer in Donegal mit dem Auto umher fährt, sollte rechtzeitig tanken, denn der Weg zur nächsten Tankstelle ist oft weit. Statt Tankstellen gibt es in kleineren Ortschaften häufig 2 Tanksäulen (Diesel/ Benzin), also gut die Augen offenhalten. |
Highlight Nr. 1: Spazieren im Ards Forest Park
Der Ards Forest Park ist, wie der Name sagt, ein großer ursprünglicher Wald, der irgendwann aus dem Privatbesitz einer Familie in staatlichen Besitz übergegangen ist. Direkt an der Straße gibt es einen kleinen Parkplatz, von dem eine 2km lange, geteerte Straße tiefer in den Wald (und zu einem großen Parkplatz) führt. Der eine Euro Eintritt für Autos ist gut angelegt! Der besondere Reiz dieses Waldes lag für uns darin, dass wir aus dem wilden Dickicht nach nur einigen Metern durch Dünen mitten im Meer standen. Es war ein fantastischer Tag und wir bereuten es sehr, unsere Badesachen im Auto gelassen zu haben, aber immerhin konnten wir bis zu den Knien in den Wellen der einkommenden Flut stehen und unsere Blicke in der kleinen Bucht schweifen lassen, ehe wir uns auf ein Fleckchen Gras setzten und Sonne, Wind und den Geruch des Meers genossen (Ich genoss, Moritz döste vor sich hin). Wir hatten uns für den Natural Trail entschieden, der über bemooste Wege und unter wild wuchernden Rhododendren führte. Dabei begegneten wir nicht einer Menschenseele.
Achtung: Wir entdeckten zahlreiche Buchten, die bei Ebbe problemlos zu erreichen sind, doch die sich bei der Flut schnell mit Wasser füllen und nur noch kraxelnd verlassen werden können. Das sollte man immer im Hinterkopf behalten. |
Highlight Nr. 2: Die Fahrt durch den Glenveagh National Park
Der größte Nationalpark in Donegal ist der Glenveagh National Park, in dessen Mitte ein großer, von malerischen Hügeln eingesäumter See liegt, an dem vorbei ein geteerter Spazierweg zu einem idyllischen kleinen Schlösschen mit buntem Garten führt. Der Spaziergang zum Schloss war ganz okay und die Blumenpracht rund um die vornehmen Mauern absolut fantastisch, aber unser Highlight war die Fahrt durch die Ausläufe des Nationalparks rund um den für Spaziergänger*innen, Wander*innen und Radfahrer*innen abgegrenzten Teil. So weit das Auge blickt, grau-grüne Hügel voller Heidesprenkel und nass glänzender Steinbrocken. Die Landschaft ist hier an sich recht karg, kaum Bäume zu sehen und erst recht keine Wäldchen, aber dennoch mussten wir anhalten und die erdigen Töne auf uns wirken lassen, weil uns eine solche Landschaft noch nie untergekommen war. Auch hier begegnete uns kaum Gegenverkehr, aber wir waren in bester Gesellschaft zahlreicher Schafe, die mehr Scheu vor Menschen als vor Autos zeigen.
Für Blumenliebhaber*innen gibt es den Donegal Garden Trail, zu dem auch der Garten des Glenveagh Schlösschens gehört. Hätten wir mehr Zeit gehabt, hätte ich auf jeden Fall ein paar Gärten mehr mitgenommen, denn mit Blumen bin ich immer zu locken. |
Highlight Nr. 3: Auf den Spuren traditioneller Textilkunst
Auch wenn der Schwerpunkt unserer Reise auf der Naturerfahrung lag, interessierte uns die Kultur der Region, die wir durchquerten. Während unserer Reise befanden wir uns zu großen Teilen in Gaeltachten, also in Gebieten, in denen überwiegend Irisch gesprochen wird und auch sonst wird hier viel Wert auf Traditionen und Geschichte gelegt. Besonders deutlich wird das im Dreieck zwischen Ardara, Glencolumbkille und Donegal City, wo zahlreiche Textilfirmen angesiedelt sind, deren Geschichte viele Jahre zurückgeht. Irland ist für seine unzähligen Schafe bekannt, genau wie für grobe Strickpullover. Anders als man meinen könnte, wird in Irland selbst aber tatsächlich (heutzutage) nicht überwältigend viel Wolle produziert. Die meisten Schafe, die sich bei Wind und Wetter über steinige Hügel und durch Heidegras fressen, geben keine Wolle, die zur Verarbeitung gut geeignet ist. Dennoch hat das Textilhandwerk in Irland lange Tradition und wir besuchten einen Betrieb im kleinen Ort Kilcar, wo wir zwei Webern bei ihrer unfassbaren Kunst zusehen konnten und kunstvoll gewebte Decken und Schals bewunderten. In dieser Wollmühle, wie es zahlreiche in der Gegend gibt, wird auch Wolle – der berühmte Donegal Tweed – gefärbt, gesponnen und verkauft. Natürlich musste ich ein Knäuel mitnehmen, aus dem ich tags drauf für Moritz eine Mütze strickte, für einen Pulli wäre mir die raue Wolle etwas zu grob.
Highlight Nr. 4: Bei Wind und Wetter bei den Klippen von Slieve League (und den Cliffs of Moher)
Die Klippen von Slieve League waren mein persönliches Top-Highlight. Wir hatten uns nachts im Ort Carrick eingenistet, von wo wir morgens nach einem frühen Frühstück zu den Klippen aufbrachen. Es gibt zahlreiche Parkmöglichkeiten und wir parkten direkt an der Aussichtsplattform. Wie an allen schönen Fleckchen, die wir in Irland besuchten, gibt es auch hier eine oder zwei befestigte Aussichtsplattform(en), wo Touren ihre Gäste abladen, alle ein paar Fotos schießen und dann weiterfahren. Auch unabhängig von Touren erlebten wir, dass viele Besucher*innen nicht weiter als diese photo spots spazierten. Dahinter sind die Wanderwege oft nicht besonders befestigt, manchmal werden Steine aus der Landschaft zu einem losen Pfad zusammengelegt, manchmal etwas Kies aufgeschüttet. An hohen Klippen gibt es keine Befestigungen und auch sonst steht man mitten in der Natur. Das ist natürlich toll und ich hoffe sehr, dass das auch weiterhin so bleibt und unverantwortliche Menschen nicht bei dem Versuch des besten Selfies die Klippen runterstürzen, bis die Wanderwege idiotensicher befestigt werden müssen. Wir wurden in den ersten 20 Minuten des Anstiegs mächtig nass, aber es war an dem Tag zum Glück nur windig und nicht kalt: nach 20 Minuten waren wir wieder trocken und die Sonne brach durch. Durch das sich ständig verändernde Wetter zeigten sich die Klippen alle zehn Minuten in einem anderen Licht und wir konnten uns, wieder einmal, nicht sattsehen. Den Weg entlang der Slieve League empfanden wir als absolut perfekt. Die Aussicht ist hier fantastisch und wir konnten in Zweisamkeit wandern, genau wie wir es uns gewünscht hatten. Trotz der unmittelbaren Nähe zu den Klippen hatte ich nie das Gefühl direkt am Abgrund zu stehen, was ein sehr angenehmes Gefühl ist, wenn man sich mit aller Kraft gegen heftige Windböen stemmen muss.
Von daher ziehe ich auch unseren Vormittag bei Slieve League dem Vormittag bei den Cliffs of Moher vor und das hängt nicht nur damit zusammen, dass wir bei den Cliffs of Moher wirklich pitschnass wurden. Spektakulärer anzusehen sind die Cliffs of Moher allemal und gerade in dem diesigen Nebel, den die ständigen Regenschauer bei unserem Besuch mit sich brachten, erschienen sie uns mystisch, geheimnisvoll und wie aus einer anderen Welt. Hinter dem gepflasterten, eingemauerten Stück, das die jährlichen Touristenmassen empfängt, beginnt ein Wanderweg auf eigene Verantwortung, wo wir gefährlich nah an hohen Steilkanten 600m über dem Atlantik balancierten und die imposanten Küstenformationen bewunderten. So weit, so gut. Insgesamt gefiel mir persönlich die Wanderung in freier Natur bei Slieve League aber besser, als der schmale Pfad zwischen Klippen und Weidezaun, weil sich die Aussicht auf Natur und die Klippen ständig veränderte.
Highlight Nr. 5: Geschichte auf Achill Island
Nachdem wir das County Donegal verlassen hatten, wollten wir eigentlich einen Ausflug zu der Insel Inishboofin machen, aber das war zeitlich nicht mehr drin. Als Kompromiss fuhren wir daher zu Achill Islands, eine Insel, die kurz vor der Küste des County Mayo über eine Brücke zu erreichen ist. Auf der Insel, deren Landschaft von felsigen Hügeln und umgegrabenen Torffeldern geprägt ist, hatten wir die Möglichkeit, mehr über die Lebensbedingungen der irischen Bevölkerung zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert zu erfahren. Die Insel, auf der es bis heute keine Industrie gibt, gehörte zu einer der ärmsten Regionen Irlands und anhand verschiedener Informationstafeln, die über die Insel verteilt sind, lernten wir mehr über die Ulster Plantation (Zwangsumsiedlungen protestantischer Briten in ärmliche, irische (katholische) Regionen im 17. Jahrhundert), den Great Potato Famine (eine große Hungersnot im 19. Jahrhundert, der ca. eine Million der irischen Bevölkerung zum Opfer fiel) und die zahlreichen irischen Migrationswellen. So konnten wir eine Fahrt rund um die Insel und die damit verbundene Aussicht mit einer Geschichtsstunde kombinieren, was ich eine hervorragende Mischung finde. Den Abschluss machte der Anstieg auf den Moyteogue Head, von dem wir den Ausblick auf das Meer und auf die Insel, eingetaucht in graue Wolken, bewunderten.
Auch auf der Route, aber dieses Mal zeitlich nicht mehr drin: der Connemara National Park, der es mir vor einigen Jahren sehr angetan hat. |
Nach sechs Tagen on tour verbrachten wir noch einige (sonnige!) Tage in Dublin, ehe es herrlich entspannt zurück nach Krakau ging. Rückblickend denke ich, dass für unsere Route ein oder zwei Tage mehr nicht schlecht gewesen wären, denn so gab es einen Tag, den wir doch überwiegend im Auto verbrachten. Insgesamt kann ich die Reise auf dem Wild Atlantic Way nur empfehlen, vor allem für diejenigen, die gerne flexibel, etwas abgeschieden und im Einklang mit der Natur reisen wollen. Respekt und Demut vor der einzigartigen Natur sind jedoch ein Muss, denn sonst ist es bald vorbei mit der rauen Schönheit und der wilden Einsamkeit Donegals. Wir sind auf jeden Fall gespannt, wie sich der Südwesten im Vergleich macht – mal schauen, wann wir es das nächste Mal nach Irland schaffen.