Der Internationale Frauentag geht auf das Engagement sozialistischer Organisationen und Aktivist:innen zurück, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA und Europa für die Einführung eines Frauenkampftages stark machten. In Sowjet-Russland wurde der 8. März im Jahr 1917 ein nationaler Feiertag und bekommt noch heute in den ehemals kommunistischen Ländern Europas weitaus mehr Aufmerksamkeit als im Westen Europas. Dieser sozialistische Ursprung lädt dazu ein, Frauenrechte in der kommunistischen Ideologie, vor allem aber in der kommunistischen Wirklichkeit im 20. Jahrhundert in Europa unter die Lupe zu nehmen.
Im Kommunismus sind alle Menschen gleich, so die Theorie, aber es war nicht zuletzt George Orwell, der aufzeigte, dass in der Praxis einige etwas „gleicher“ als andere waren. Wenn heute über Ungleichheiten während des gelebten Kommunismus gesprochen wird, dann beziehen sich die Beiträge auf das ungleiche Verhältnis zwischen paternalistischem Staat und unterdrücktem Volk, auf die Hierarchien zwischen den Größen des Politbüros und dem einfachen Proletariat. Die Unterdrückung, die Frauen erfahren haben, wird nur nach und nach stotternd thematisiert. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts in Europa wird noch immer aus überwiegend männlicher Perspektive erzählt.
Klassenkampf = sozialer Kampf (?)
Die Theorie zu Beginn war vielversprechend gewesen: Karl Marx war der Ansicht, dass man den Grad der Unterdrückung von Frauen als Indikator für den Grad der allgemeinen Unfreiheit einer Gesellschaft im kapitalistischen System verstehen müsse. Er prangerte die doppelte Unterdrückung der Frau an: durch Arbeit auf der einen Seite und durch gesellschaftliche Zwänge – die Ehe im Besonderen – auf der anderen Seite. Anfang des 20. Jahrhunderts waren in Deutschland Clara Zetkin und Rosa Luxemburg namhafte sozialistische Feministinnen, die die Meinung vertraten, der erfolgreiche Klassenkampf führe zur Gleichstellung der Geschlechter. Weniger bekannt ist Johanna Löwenherz, die früh erkannte, dass Frauen mehr als nur einer unterdrückten Gruppe angehören und der Klassenkampf allein ihre Probleme nicht lösen würde. Der Klassenkampf sei richtig und wichtig – doch sie erkannte früh, dass der Frauenkampf darüber noch hinaus gehen müsse.
Sind wir alle gleich oder alle anders?
Sind Frauen und Männer verschieden oder sind sie gleich? In der feministischen Literatur herrscht inzwischen Konsens darüber, dass keine der beiden Ansätze auf dem Weg zu Gendergerechtigkeit hilfreich ist. Werden nämlich die Unterschiede zwischen den Geschlechtern anerkannt, dann zeigt sich schnell der Trend, dass „der Mann“ als Norm gesetzt wird, „die Frau“ dahingegen als irgendwie mangelhaft dem untergeordnet wird. Wird darauf beharrt, dass Männer und Frauen absolut gleich seien, werden Frauen im besten Fall behandelt wie Männer – für Pluralismus, Diversität und einem geschärften Blick für genderspezifische Diskriminierung ist hier wenig Spielraum. Die Autorin und Professorin Zillah Eisenstein schlägt daher vor, die Bedeutung von Unterschieden zu pluralisieren und die Kategorie von Gleichheit neu zu erfinden. Nach einem solchen pluralistischen Ansatz sucht man in der kommunistischen Realität im Europa im 20. Jahrhundert vergeblich.
Das kommunistische Ideal
Das ideale kommunistische Subjekt hatte kein Geschlecht, denn – wie eingangs bereits gesagt – die Ideologie basiert auf der Annahme, dass nach Überwindung des Klassenkampfes alle Menschen gleich seien. Dennoch trug dieses ideale Subjekt Merkmale, die eindeutig dem damaligen (und auch noch heutigen) Männerbild zugeschrieben wurden. Die Abstraktion des Geschlechts versteckte nur gekonnt seine ihm innewohnende Männlichkeit. Und die Erfahrung zeigt außerdem, dass großangelegte Propaganda zur gleichberechtigten Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt bspw. in der Bevölkerung nicht unbedingt widerhallte. Zu sehr waren traditionelle Geschlechterrollen in den kommunistischen Gesellschaften noch verankert.
Dabei war an sich die sowjetische Revolution zu Beginn auch eine soziale, empanzipatorische Revolution gewesen. Doch im kommunistischen System begünstigten extrem hierarchische Strukturen ein patriarchales Mächteverhältnis. Männer, die ihrer Einflussmöglichkeiten und Macht im öffentlichen Raum beraubt wurden, lebten diese Macht (weiterhin oder sogar verstärkt) im privaten Raum aus. Frauen lebten unter doppelter, häufig sogar dreifacher Belastung und waren noch dazu in extremem Maß sexueller und häuslicher Gewalt ausgesetzt. Diese Gewalt gegen Frauen wurde tabuisiert und stigmatisiert, in vielen Fällen sogar als „natürliches Leiden“ der Frau im biblischen Sinne legitimiert. Die Annahme, dass alle gleich seien, richtete sich hier gegen die spezifische Situation der Frauen und verstärkte ihre Unterdrückung.
Klassenkampf führt zu Gleichberechtigung?
Da die kommunistische Ideologie den Klassenkampf als Lösung aller Probleme ansah und außerdem auf der Annahme fußte, dass im Kommunismus alle gleich seien, ist es logisch, dass hier kein Raum war, die spezifische Unterdrückung von Frauen zu thematisieren. In der kommunistischen Ideologie war auch kein Raum für mögliche Unterdrückung innerhalb des Proletariats, der Kommunist war der Gute. Dies verhinderte eine gegenderte Herangehensweise an gesellschaftliche Probleme. Jetzt aus dem Westen mit mahnendem Zeigefinge auf die frauenfeindliche Politik der östlichen Nachbarn zu zeigen, ist aber fehl am Platz, denn die Herausforderungen von bzw. Unterdrückungsmechanismen gegen Frauen waren letztendlich ähnlich zu denen in Westeuropa: Hausarbeit war Frauensache. Kinderkriegen sollte der Frauen höchstes Ziel sein. Aus dem politischen Raum wurden sie strukturell verdrängt. Als Opfer sexueller oder häuslicher Gewalt wurden sie von Staat und Gesellschaft allein gelassen und stigmatisiert.
In den kommunistischen Ländern kam zwar eine Frau nicht als „Rabenmutter“ in Verruf, wenn sie ihr Kind tagsüber in einen Kindergarten gab, hatte dazu aber noch die zusätzliche Belastung, den Staat nicht nur mit Kindern, sondern auch noch mit ihrer Arbeitskraft bereichern zu müssen. Die Frau als producer und reproducer, mit doppelter Bürde. Im Kommunismus waren es die Frauen, die sich in lange Reihen stellten, um in der Mangelwirtschaft die wenigen verfügbaren Güter abzugreifen. Es waren Frauen, die im Lokalen sozialistische Aktivitäten planten und durchführten. Es waren auch unzählige Frauen, die sich im Widerstand engagierten, ohne je dafür wertgeschätzt zu werden. Gerade im Fall der polnischen Gewerkschaft „Solidarnosc“ gibt es inzwischen umfassende Zeugnisse dafür, dass Frauen essentiell in die Widerstandsarbeit eingebunden waren, ohne jedoch je Anerkennung dieser Aktivitäten erhalten zu haben.
Der Rückzug ins Private
Nach dem Fall des Kommunismus in Osteuropa erlebten die Länder einen gesellschaftlichen Backlash. Viele Frauen waren froh, sich in traditionelle Familienbilder flüchten zu können, da dies zunächst einen Rückgewinn an Selbstbestimmung versprach. In den Neunzigern begann dann ein feministischer Austausch zwischen West und Ost. Wobei von Austausch eigentlich kaum die Rede sein kann, denn die oft bevormundende Attitüde westlicher Feministinnen stieß im Osten auf großen Widerstand. Während die westliche Frauenbewegung der 1970er unter der Parole „das Private ist politisch“ ihren Raum in der Öffentlichkeit beanspruchte, schreckte dies viele Frauen im Osten ab. Hier lechzte man nach Jahren der Vollüberwachung nach Privatsphäre und Nichteinmischung. Die gesellschaftlichen Situationen von Frauen in Ost und West waren nicht vergleichbar, ungeachtet dessen wurde trotzdem ein westlicher Feminismus importiert, der sich nicht an der östlichen Lebensrealität orientierte. Nach Sozialismus, Kommunismus und zuvor dem Faschismus, wurde ein neuer „-ismus“ beinahe kategorisch abgelehnt.
Frauenkampf auf dem Vormarsch in Zentral- und Osteuropa
Der Feminismus als Begriff hat auch in Deutschland bereits Zeiten mit mehr Anerkennung erlebt, in Zentral- und Osteuropa war er seit jeher ein abgelehntes Konzept. Das ändert sich jedoch in letzter Zeit rasant. Nicht nur in Polen entwickelt sich eine starke feministische Zivilgesellschaft, die für die Selbstbestimmung der Frau kämpft. Weltweit werden dem Feminismus in den letzten Jahren immer mehr Facetten zuerkannt. Auch im westlichen Europa und den USA erkennen Aktivist:innen, dass es viele Seiten des Frauenkampfes gibt. Das Prinzip der „Intersektionalität“, also der Mehrfachdiskriminierung aufgrund von verschiedenen Faktoren wie Geschlecht, sexuelle Orientierung, Rasse und Klasse, hat Einzug in den Mainstreamfeminismus gefunden. Dies ermöglicht auch zwischen West und Ost einen neuen, differenzierten Austausch. Das Aufgeben des Deutungsmonopols von Feminismus auf Seite weißer, westlicher Feministinnen ermöglicht das Erstarken eines neuen, globalen und inklusiven Feminismus, der erkennt, dass die Gleichheit aller nur dann ein erstrebenswertes Ideal ist, wenn Gleichheit als gesellschaftliches Konzept pluralistisch und progressiv verstanden und reformiert wird.